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Robert Habeck und Naturschützer in SH entfremden sich immer mehr

Robert Habeck und Naturschützer in SH entfremden sich immer mehr
Robert Habeck setzt drastische Naturschutzeinschränkungen durch – Umwelt- und Pateifreunde in SH erkennen ihren Ex-Landesminister immer weniger wieder

Als Robert Habeck vor sechs Jahren in Kiel das Amt des Umweltministers abgab und als Grünen-Chef nach Berlin wechselte, gab ihm ein führender Naturschützer fast liebevolle Worte mit auf den Weg. Habeck sei „ein charmanter, charismatischer Macker hier für Schleswig-Holstein“ gewesen, würdigte ihn Ole Eggers, Landesgeschäftsführer des Umweltverbands BUND.

„Habeck ist für den Naturschutz der gefährlichste Politiker“

Eggers hat sein Amt noch heute inne – aber von Zuneigung zu Habeck ist nichts mehr zu spüren. „Robert Habeck ist für den Naturschutz der gefährlichste Politiker, den wir auf der ganzen Bühne haben“, sagt Eggers jetzt über den inzwischen zum Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler aufgestiegenen Grünen. „Er zieht uns den Boden unter den Füßen weg.“

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Grund für das schroffe Urteil ist unter anderem und ganz besonders ein Gesetz, das Habeck im Eiltempo vorangetrieben und am Freitag durch Bundestag und Bundesrat gebracht hat. Der Minister reagiert mit dem Gesetz auf eine EU-Richtlinie zur Beschleunigung des Ökostromausbaus und schränkt den Naturschutz beim Bau von Wind- und Solarparks in Zukunft drastisch ein.

Keine gründliche Prüfung in Beschleunigungsgebieten

So sind nun oft keine gründlichen Umweltverträglichkeits- und Artenschutzprüfungen beim Bau von Windrädern mehr nötig. Vielmehr reicht es in sogenannten Beschleunigungsgebieten künftig, wenn das ganze Areal grob voruntersucht wurde. Zu diesen Gebieten zählen laut neuem Gesetz die schon ausgewiesenen Windvorrangflächen, wie es sie auch in Schleswig-Holstein gibt.

Für die einzelnen Anlagen muss in diesen Gebieten künftig gar keine Umweltprüfung mehr vor Ort erfolgen, sondern nur noch eine nach Aktenlage am Schreibtisch. Und wenn die nicht innerhalb von 45 Tagen erledigt ist, gilt ein Windrad oder ein Solarpark sogar ohne jeden Beschluss als umweltrechtlich genehmigt – bedrohte Rotmilane hin, gefährdete Seeadler her.

BUND: Habeck geht „an die Grenze des Erlaubten“

Mit dem Gesetz gehe Habeck über die EU-Vorgaben hinaus und riskiere einen Rechtsbruch, wettert Eggers. „Der Verzicht auf die Umweltverträglichkeitsprüfungen ist an der Grenze des Erlaubten.“ Zudem verkenne Habeck die Dramatik beim Artensterben: „Das Klima kann man in den nächsten Jahrzehnten ändern – der Artenverfall ist nicht rückgängig zu machen.“

Ähnlich argumentiert der Naturschutzbund Nabu. „Das Gesetz trägt entschieden dazu bei, den Klimaschutz gegen den Naturschutz auszuspielen“, wirft Schleswig-Holsteins Nabu-Chef Alexander Schwarzlose Minister Habeck vor. Ihn stört besonders die Automatik, derzufolge Windräder nach 45 Tagen auch ohne jede Prüfung als umweltrechtlich genehmigt gelten.

Nabu: Gebiets- und Artenschutz „leere Worthülsen“

Das werde wegen der Personalnot in den Behörden dazu führen, „dass Windräder regelmäßig genehmigt werden, ohne dass die Zentralelemente des Naturschutzes geprüft worden sind“, fürchtet Schwarzlose und kritisiert: „Gebiets- und Artenschutz verkommen so weitgehend zu leeren Worthülsen.“

Die Naturfreunde im Land sind umso bestürzter, als Habecks Gesetz zu den Beschleunigungsgebieten nicht der einzige Schlag ist, den der Minister ihnen in seinem Kampf für Klimaschutz und Versorgungssicherheit versetzt hat.

CCS, LNG – Habeck mutet Umweltfreunden einiges zu

Zuvor hat er schon die Tür für die hierzulande besonders umstrittene unterirdische CO2-Lagerung, kurz CCS, wieder geöffnet, wenn auch nur für eine Deponierung unter der Nordsee. Und er hat die Einrichtung von Flüssiggas-Terminals vorangetrieben, die Umweltschützer für klimaschädlich halten und von denen eines in Brunsbüttel liegt.

„Ihm ist wichtig, wie er in den Geschichtsbüchern steht“: BUND-Landeschef Ole Eggers über Robert Habeck. Foto: Yannik Burgemeister

„Ihm ist wichtig, wie er in den Geschichtsbüchern steht“: BUND-Landeschef Ole Eggers über Robert Habeck.
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Nicht zuletzt hat Habeck für diese LNG-Terminals sowie für den Bau von Stromleitungen und Pipelines ein „überragendes öffentliches Interesse“ festschreiben lassen. Klagen gegen die Projekte werden damit fast aussichtslos. „Habeck nimmt uns Stück für Stück die rechtlichen Möglichkeiten“, klagt BUND-Mann Eggers. Umweltschutz interessiere den Minister nicht mehr, nur Wirtschaft und Klimaschutz. „Ihm ist wichtig, wie er in den Geschichtsbüchern steht – alles, was ihn da behindert, wird beiseite geräumt.“

Ex-Grünen-Landeschef Wagner: „Kritik ist unerwünscht“

Arfst Wagner erkennt seinen alten Kumpel Habeck ebenfalls kaum wieder. Der heute 70-Jährige war zu Habecks Kieler Ministerzeiten zwei Jahre lang Landesvorsitzender der Grünen und kommt aus Habecks Wahlkreis Flensburg-Schleswig. „Ich sehe inzwischen zwei Robert Habecks“, sagt Wagner. „Der eine macht knallharte Realpolitik. Und den anderen kenne ich noch aus Schleswig-Holstein – der hat Gegensätze in Verhandlungen vereint und Konflikte zu einer Lösung gebracht.“ So legte Habeck zum Beispiel 2015 einen heftigen Streit zwischen Muschelfischern und Naturschützern bei.

„Ich sehe inzwischen zwei Robert Habecks. Der eine macht knallharte Realpolitik –und den anderen kenne ich noch aus Schleswig-Holstein“: Ex-Grünen-Landeschef Arfst Wagner. Foto: dpa

„Ich sehe inzwischen zwei Robert Habecks. Der eine macht knallharte Realpolitik –und den anderen kenne ich noch aus Schleswig-Holstein“: Ex-Grünen-Landeschef Arfst Wagner.
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Wagner ist vor sechs Jahren im Streit aus der grünen Partei ausgetreten, betont aber, dass er Habeck noch immer schätzt und sich als dessen Unterstützer versteht. Dennoch geht er hart mit ihm ins Gericht. Habeck sei in Berlin die Bereitschaft zum Kompromiss „abhandengekommen“, er sehe nur noch die eigene Agenda. Und das wiederum liege nicht zuletzt daran, dass er sich „ein falsches Umfeld aufgebaut“ habe: „Er holt sich Leute, die ihm zusprechen – Kritik ist nicht erwünscht.“

Habecks früherer Kieler Staatssekretär Tobias Goldschmidt übt genau diese Kritik trotzdem an seinem früheren Chef. Goldschmidt ist in Schleswig-Holstein inzwischen nicht nur Energieminister, sondern auch Umweltminister und muss schon deshalb oft mehr Rücksicht auf die Natur nehmen als der Bundeswirtschaftsminister. Daher sieht der Grüne auch die neuen Beschleunigungsgebiete mit gemischten Gefühlen.

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Zwar sei es richtig, dass Habeck Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien mache: „Robert regiert sehr entschlossen und macht einen großartigen Job.“ Aber beim Umweltschutz hätten sie „unterschiedliche Perspektiven“, sagt Goldschmidt.

Tobias Goldschmidt mahnt bei Habeck „Windfrieden“ an

So mahnt er: „Die Natur darf beim Windkraftausbau nicht unter die Räder kommen.“ Vielmehr gelte es in Deutschland einen „Windfrieden“ zu schließen, wie es ihn in Schleswig-Holstein schon gebe: „Beide Seiten müssen dafür wieder in einen kooperativeren Arbeitsmodus kommen – denn Klima- und Artenschutz sind zwei Seiten derselben Medaille.“

Dafür müsste Habeck dann allerdings auch mal wieder mit seinem früheren Unterstützer Eggers vom BUND sprechen. Derzeit herrscht Funkstille zwischen den beiden: „Er redet nicht mehr mit mir“, sagt Eggers. Schlechte Voraussetzungen für einen Frieden.

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