Polzins HSV-Serie hält auch ohne Polzin

Seit zehn Partien ist Merlin Polzin Cheftrainer und der Hamburger SV in diesem Zeitraum ungeschlagen. Am Freitagabend gewannen die Hanseaten sogar ohne ihren grippegeschwächten Coach - und dies mit 3:0 gegen Mitkonkurrent Kaiserslautern zudem höchst eindrucksvoll.

Jubel über die mindestens vorläufige Tabellenführung: Der HSV ist nach dem 3:0 gegen den FCK Spitze. IMAGO/Eibner
Bis zum Nachmittag hatte es Polzin versucht, dann war klar: Beim 34-Jährigen geht nichts. Eine Grippe hatte ihn komplett flachgelegt, Medizin gab es hingegen aus dem Volkspark: Seine Mannschaft funktionierte auch ohne ihn unter der Anleitung von Assistent Loic Favé und Davie Selke sagt: "Das war auch für Merlin." Der war erst nach der Partie wieder präsent: Hamburgs Profis nahmen ihn via Handy und Videocall mit zur Feier vor den Fans. Die Impuls, verrät Favé ging nicht von einem Einzelnen aus, "die Idee hatten eigentlich alle Jungs. So war Merlin am Ende doch in unserem Kreis dabei." Während der Partie hatte er über Videoanalyst Eduard Riesen Kontakt zur HSV-Bank gehalten, große Korrekturen aber musste er nicht vornehmen.
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FCK-Coach Anfang legt sich auf HSV-Aufstieg fest
Ein Ansatzpunkt von Polzin und seinem Trainerteam ist es seit der Amtsübernahme, die Mannschaft, anders als im ersten Saisondrittel, dahin zu entwickeln, dass sie ihr Spiel möglichst über die komplette Distanz durchzieht. Gegen Kaiserslautern gelang dies, abgesehen von zwei Minuten vor der Halbzeitpause, vollends: Der HSV war dominant, variabel, spielfreudig und dazu giftig und aufmerksam in der Defensivarbeit. "Jeder, der unsere bisherige Saison intensiv verfolgt, der weiß, dass wir häufig nur in einzelnen Phasen dominant waren", sagt Favé, "unser Fokus liegt darauf, über 90 Minuten unseren Fußball durchzuziehen. Das ist uns gelungen. Wir hatten in den ersten 30 Minuten eine hohe Dominanz, hatten vor der Pause dann etwas Glück, waren aber danach wieder durchgehend zielstrebig."
Der Inbegriff von Zielstrebigkeit war im Spitzenspiel einmal mehr Davie Selke. Mit seinem Doppelpack schraubte der Mittelstürmer seine Torquote seit seiner Operation am Jochbogen und mit Maske auf fünf Tore in drei Spielen. Wie lange er den Schutz noch tragen muss, entscheiden die Mediziner, er selbst sagt mit einem Augenzwinkern: "Vielleicht lasse ich sie bis zum Saisonende auf." Favé schwärmt: "Man kann Davies Wert auf und außerhalb des Platzes für unsere Gruppe gar nicht hoch genug bewerten. Weil er unglaubliche Energie reinbringt, in jedes Training." Fünf Tage war er nach seiner Operation nicht im Mannschaftstraining. "Dass er gefehlt hat", verrät Favé, "hat man sofort gemerkt."
Selke ist die Hamburger Lebensversicherung im Aufstiegskampf, doch der HSV ist nicht nur Selke. Gegen die Pfälzer meldete sich Ludovit Reis nach seiner langwierigen Muskelverletzung erstmals wieder in der Startelf zurück, überzeugte insbesondere im zweiten Durchgang nicht nur wegen seiner Vorlage zu Selkes zweitem Tor; sein Comeback feierte auch Eigengewächs Fabio Baldé, traf dabei traumhaft zum entscheidenden 3:0. Es sind Zeichen der Ausgewogenheit in einem Kader, den Markus Anfang "eine absolute Top-Mannschaft" nennt. Der Trainer des unterlegenen Aufstiegskonkurrenten aus der Pfalz legt sich nach den Eindrücken im direkten Duell fest: "Der HSV ist top besetzt und spielt super Fußball. Dieses Jahr werden sie definitiv aufsteigen."
Sebastian Wolff