Warum Greta Gerwig mit „Barbie“ nicht für den Oscar nominiert wurde

Hollywood und seine Regisseurinnen: Das ist ein heikles Thema – und eines, bei dem nicht nur ausgewiesene Feministinnen die Augen verdrehen. Eine einzige Jahreszahl reicht dafür aus: Wann, bitte, gewann eine Frau erstmals den Regieoscar? Das war die US-Amerikanerin Kathryn Bigelow im Jahr 2010 nach Christi Geburt.
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Bigelow holte sich die Trophäe für ihren Irakkriegsfilm „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“. Es brauchte sage und schreibe 82 Oscarverleihungen, bis die Zeit dafür reif war. Die erste Regisseurin, die es überhaupt in die Endrunde geschafft hatte, allerdings ohne dann auch zu gewinnen, war 1977 die Italienerin Lina Wertmüller mit „Sieben Schönheiten“. Wertmüller blieb 2020 als Trostpflaster der Ehrenoscar.
„Barbie“ war die Sensation der Saison
Jetzt darf sich auch Greta Gerwig in diese frustrierende Historie einreihen. Die „Barbie“-Regisseurin ging bei der Nominierungsrunde am Dienstag zur Überraschung von halb Hollywood leer aus, ebenso wie ihre Hauptdarstellerin Margot Robbie. Wie konnte das passieren?
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Gerwigs „Barbie“-Film war im vorigen Sommer die Sensation der Saison. Die Komödie zog die US-Kinoindustrie zusammen mit Christopher Nolans Atombombendrama „Oppenheimer“ aus ihrer großen Depression. Allein der Begriff „Barbenheimer“ brachte die Augen von Studiochefs zum Glänzen. Rund 1,4 Milliarden Dollar spielte „Barbie“ weltweit ein, war damit der erfolgreichste Film des Jahres und trotzte Nach-Corona-Flaute und Hollywoodstreiks.
Die Geschichte über eine Plastikpuppe mit Wespentaille auf dem Weg in die Menschenwelt entzückte Frauen und – mit einiger Verzögerung – auch skeptische Männer. So witzig, klug und auch hintersinnig konnte vielleicht nur Gerwig diesen skurrilen Stoff aufbereiten (zusammen mit Drehbuch-Co-Autor und Ehemann Noah Baumbach) und dabei auch noch auf amüsante Weise die Sache der Frauen vertreten. Die US-Kinoindustrie schüttelte sich verblüfft: Die Menschen lassen sich also nicht nur mit martialischen Comicsuperhelden vom Sofa ins Kino locken.
Gerwig genießt Ansehen in Hollywood. 2018 war sie schon einmal im Regiefach nominiert, damals mit „Lady Bird“. Zudem hat „Barbie“ insgesamt acht Nennungen eingesammelt, darunter die als bester Film. Allerdings erscheint ein Triumph in der Königskategorie gegen „Oppenheimer“, „Poor Things“ oder auch „Anatomie eines Falls“ unwahrscheinlich.


Ohne Barbie ist Ken nichts: Ryan Gosling als Ken und Margot Robbie als Barbie in einer Szene der Films „Barbie“.
© Quelle: -/Courtesy of Warner Bros. Pictu
Nebendarsteller Ryan Gosling und Nebendarstellerin America Ferrera haben ihre Oscarchancen wahren können, zeigten sich aber enttäuscht, dass Gerwig und Robbie leer ausgingen: „Trotz aller Widrigkeiten brachten sie uns mit nichts als ein paar seelenlosen, spärlich bekleideten Puppen zum Lachen, sie brachen uns das Herz, sie trieben die Kultur voran und sie schrieben Geschichte“, so Gosling in einer eigens formulierten Erklärung.
Er fügte hinzu: „Es gibt keinen Ken ohne Barbie, und es gibt keinen ‚Barbie‘-Film ohne Greta Gerwig und Margot Robbie, die beiden Hauptverantwortlichen für diesen geschichtsträchtigen und weltweit gefeierten Film.“ Ferrera sagte: „Der kulturelle und branchenspezifische Einfluss, den sie erzielt haben, wird über Generationen hinweg spürbar sein.“
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Am 10. März bei der Oscargala darf sich Hollywood schon mal auf den ein oder anderen bösen Scherz von Moderator Jimmy Kimmel vorbereiten. Kimmel dürfte sich die Chance kaum entgehen lassen, genüsslich in dieser Wunde zu stochern: Hollywood lässt seine gefeierten Heldinnen draußen warten.
Überraschend ist die Nichtnominierung auch deshalb, weil Hollywood in den vergangenen Jahren stets darunter litt, dass es kaum preiswürdige Blockbuster aufzubieten hatte. Die besucherträchtigsten Filme taugten zumeist nur, wenn überhaupt, dann für Oscars in technischen Kategorien.
Die für die Oscars zuständige Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS) hat in diesem Jahrtausend schon viel dazu gelernt. Die Diversität der knapp 11.000 Mitglieder ist gestärkt worden. Oscarsieger wie „Moonlight“ (2017) oder „Parasite“ (2020) beweisen, dass Hollywood erkannt hat: Die Welt ist bunter, als man es sich in den Villen über Los Angeles vorgestellt hatte.
Nur bei den Regiepreisen scheint die Erkenntnis noch nicht durchgedrungen zu sein, dass auch Frauen gute Filme inszenieren können. Im Vorjahr war keine einzige Frau in Kategorie „Beste Regie“ nominiert. Dieses Jahr hat es allein die Französin Justine Triet mit dem Ehe- und Gerichtsdrama „Anatomie eines Falls“ in die Männerdomäne geschafft.
Die Peinlichkeit ist nur noch zu überbieten, wenn man auf die Gesamtzahl der nominierten Regisseurinnen in der Oscargeschichte schaut: Mit Triet sind das gerade einmal acht Frauen. Gewonnen haben bislang allein Bigelow, Jane Campion („The Power of the Dog“) und Chloe Zhao („Nomadland“). Ziemlich wahrscheinlich, dass in diesem Jahr keine vierte Frau dazu kommt.