Goldrallye: China treibt den Preis 24

Ein weiterer Beleg für diese These ist die Entkoppelung des Goldpreises von den Realrenditen zehnjähriger US-Staatsanleihen. Normalerweise sorgen höhere US-Zinsen für weniger Nachfrage nach zinslosem Gold. Jahrzehntelang folgte der Goldpreis diesem Muster. Doch die enorm steigende US-Schuldenlast und die damit verbundenen Inflationsgefahren durch ungehemmtes Gelddrucken der Federal Reserve Notenbank beunruhigen zunehmend die globalen Gläubiger der USA. Für zusätzliche Unruhe sorgt das Einfrieren russischer US-Dollar-Vermögenswerte als Folge des Ukraine-Kriegs. Insbesondere die sogenannten BRICS-Staaten suchen daher nach Alternativen.
"Solange kein Frieden und Vertrauen zwischen dem Westen und dem 'Rest' der Welt herrscht, dürfte die Nachfrage der Zentralbanken der Schwellenländer anhalten. Die Zentralbank in Peking kauft Gold offenbar zu jedem Preis." Adrian Ash, Goldhandelsplattform BullionVault.
Chinesen lösen Inder als Hauptkäufergruppe ab
Bereits seit 2022 treibt die chinesische Nachfrage den Goldpreis. Damit hat China endgültig die Rolle Indiens übernommen, wo Gold traditionell als Hochzeitsschmuck und Vermögenssicherung eine riesige konstante Nachfrage bei Millionen von Privathaushalten genießt. Doch die Inder haben den Preis diesmal nicht in die Höhe getrieben.
Im Gegenteil reagieren indische Käufer verstärkt preissensibel, so ein Regierungsbeamter gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Demnach sind die indischen Goldimporte im März im Vergleich zum Vormonat um mehr als 90 Prozent auf den niedrigsten Stand seit der COVID-Pandemie gefallen.
Auch chinesische Privatanleger treiben die Preise
Hongkong als chinesische Sonderwirtschaftszone komme demnach eine Schlüsselstellung zu, so der niederländische Goldanalyst Jan Nieuwenhuijs. Daten des World Gold Councils zeigten, dass 2022 die gesamten Nettoexporte aus Großbritannien nach Fernost gingen und dass der Löwenanteil über Hongkong abgewickelt wird. Bislang ebbte diese Nachfrage mit steigenden Preisen wieder ab, doch diesmal ist es anders. Laut Nieuwenhuijs kann es dafür nur drei plausible Ursachen geben: Entweder die chinesische Zentralbank kauft in Hongkong Gold und überführt es unbemerkt ins chinesische Festland. Oder die sogenannten Bullionbanken erhöhen in Honkong ihre Bestände in Erwartung einer starken Nachfrage im Osten oder aber wohlhabende asiatische Bürger kaufen und lagern Gold in Hongkong.
Dafür spricht besonders, dass chinesische Investoren aufgrund der Kapitalverkehrskontrollen nur wenige andere Möglichkeiten haben als Investitionen in den lokalen Aktienmarkt, in Immobilien und Gold. Weil der Immobiliensektor in China seit Ende 2021 in einer schweren Krise ist, fürchten viele Chinesen um ihr erspartes Kapital und flüchten ins Gold. Dass steigende Preise sie eben nicht abschrecken, könnte mangels Alternativen auf eine sich entwickelnde Kaufpanik deuten.
Kaufpanik im Osten, Verkaufspanik im Westen ?
Spiegelbildlich scheint sich im Westen eine Verkaufspanik zu entwickeln. Deutsche Anleger haben nach Daten von BullionVault im März 4,8 mal so viel Gold verkauft, wie sie gekauft haben. Der Gold Investor Index Deutschland hat bisher nur zweimal mehr Goldverkäufer als -käufer verzeichnet. Dies geschah während des Anstiegs des Goldpreises in Richtung seines Höchststandes in der globalen Finanzkrise, im November 2010 und im Mai 2011.
Großen Edelmetallhändlern im deutschsprachigen Raum geht nach BR24-Recherchen langsam der Platz in ihren Lagern aus, weil die Verkäufe so stark steigen. Langsam problematisch wird auch die Geldversorgung der Händler, um die Verkäufer auszuzahlen. Scheideanstalten als Abnehmer kommen ebenfalls langsam an ihre Aufnahmekapazitäten.
Fazit: Die Funktion von Gold ist Vermögensschutz, nicht Spekulation
Trotz Höchstpreisen sollten Edelmetallanleger nicht vergessen, wofür Gold und Silber stehen: Sie bieten Schutz vor Inflation und dienen der Wertaufbewahrung von privatem Vermögen. Preisanstiege in Geld sind also trügerisch, weil sie letztlich nur den Wertverlust von Währungen widerspiegeln. Gewinnmitnahmen mögen reizvoll sein, brauchen jedoch eine vollwertige Investmentalternative für Kapitalschutz, wie der Blick in die BRICS-Staaten zeigt. Dort tauschen Staaten und Bürger US-Dollar, Aktien und Immobilien gegen Gold. Das sind Fakten, die der Rest der Welt nicht ignorieren kann und die alle Anleger betreffen, einerlei wie sie zu Edelmetallen stehen.