Euroraum der zwei Geschwindigkeiten - Wirtschaft

Die Wirtschaft in Europa hat das Jahr sehr verhalten begonnen. In Umfragen schätzen Volkswirte das Wachstum im Zeitraum von Januar bis März auf durchschnittlich gerade mal 0,1 Prozent. Damit dauert die Stagnation, die am Jahresende 2022 begann, faktisch an. Für das vergangene Jahr setzen die Statistiker nach Revisionen mittlerweile ein Wirtschaftswachstum von nur noch 0,4 Prozent an. Außerhalb von krassen Krisenzeiten war das Wachstum noch nie so niedrig im Europäischen Währungsraum.

Doch es gibt Hoffnung, dass es in diesem Jahr besser wird und der Euroraum die Talsohle hinter sich lassen wird. Umfragen unter Unternehmen deuten darauf hin, dass die Konjunktur ein wenig Fahrt aufnehmen wird. Sie zeigen aber zugleich einen Euroraum der zwei Geschwindigkeiten an. Das kann sich als Wachstumsbremse erweisen.
Als „weiche“ Konjunkturindikatoren sind die Umfragen unter Einkaufsmanagern mit mehr Vorsicht zu betrachten als „harte“ Daten wie die Industrieproduktion. Doch es sind die einzigen Konjunkturindikatoren, die zu diesem frühen Zeitpunkt für den Monat März schon zur Verfügung stehen.
Dienste eilen der Industrie voran
Der Composite-Index, in den Umfragen im verarbeitenden Gewerbe und unter Dienstleistern eingehen, erreichte im März 50,3 Punkte. Erstmals seit Mai des vergangenen Jahres liegt der von S&P Global erstellte und von der Hamburg Commercial Bank publizierte Index damit wieder in dem Bereich, der auf Wachstum hindeutet. Getrieben wurde die Aufwärtsentwicklung zuletzt von den Dienstleistungen, während das verarbeitende Gewerbe bislang nicht aus der Rezession herausfindet.
Im verarbeitenden Gewerbe hat der entsprechende Index sich seit Herbst zwar etwas verbessert, liegt aber noch deutlich im Bereich der Schrumpfung. Im März fiel der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe sogar wieder zurück.
Der Teilindex für die Dienstleistungen dagegen liegt nun schon den zweiten Monat nacheinander über 50 Punkte und deutet so auf Wachstum hin. Besonders positiv entwickelt haben sich zuletzt die neuen Aufträge und die Geschäftserwartungen, was eine Beschleunigung in den kommenden Monaten vermuten lässt.
Dienstleistungsinflation läßt nicht nach
Stabilisiert haben sich aber auch die von den Dienstleistern erwarteten Preissetzungsspielräume. Das zeigt für sich genommen an, dass der Preisdruck an dieser Stelle nicht nachlassen wird. Die Inflationsrate im Euroraum sank im März zwar nach einer ersten Schätzung auf 2,4 Prozent, nachdem sie vor einem Jahr noch 6,9 Prozent betragen hatte.
Die Dienstleistungsinflation aber verharrt seit November bei 4 Prozent. Der unveränderte Preisdruck bei den Diensten ist einer der Gründe, warum etwa die Volkswirte der Commerzbank erwarten, dass die Kerninflationsrate im Euroraum sich auf mittlere Frist um 3 Prozent einpendeln dürfte. Das wäre mehr als das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2 Prozent.
Dass die Dienstleistungen der Güterproduktion in der erwarteten Erholung voraneilen, hat damit zu tun, wie die Verbraucher sich an den Inflationsschock seit 2021 anpassten. Klar ist, dass sie ihren Konsum verringerten. Davon hat der Einzelhandel im Euroraum sich bis heute nicht erholt. Im Februar lag der Einzelhandelsumsatz 0,7 Prozent niedriger als vor einem Jahr.