BGH: Birkenstock-Sandalen sind keine Kunst

Birkenstock hat mit seinen Sandalen vor dem Bundesgerichtshof eine Schlappe einstecken müssen: Sie zählen nicht als Kunstwerk und genießen daher keinen Urheberschutz. Gegen Nachahmer will das Unternehmen aber weiter vorgehen, kündigte es an.
Man liebt sie oder man hasst sie, doch eines steht fest: Birkenstock-Sandalen sind in vielen deutschen Schuhschränken zu finden und längst auch international bekannt. Mit Korksohlen, Schnallen und Lederriemen haben sich die Sandalen zum Trendschuh entwickelt. Genau deshalb wollte Birkenstock seine Sandalen als Kunstwerk urheberrechtlich vor Nachahmungen der Konkurrenz schützen lassen.
Nach einem langen Streit entschied nun der Bundesgerichtshof (BGH), dass Birkenstock-Sandalen keine urheberrechtlich geschützten Werke der angewandten Kunst sind (Urt. v. 20.02.2025 - I ZR 16/24; I ZR 17/24; I ZR 18/24).
OLG Köln: Keine künstlerische Leistung feststellbar
Birkenstock hatte 2023 gegen drei Konkurrenten geklagt, die ähnliche Schuhmodelle wie die bekannten Sandalen herstellten und verkauften. Das Modeunternehmen mit Hauptsitz in Linz am Rhein in Rheinland-Pfalz sah in den Nachahmungen eine Verletzung des Urheberrechts, denn bei den Sandalen handelt es sich seiner Ansicht nach um geschützte Werke der angewandten Kunst.
Grundsätzlich gibt das Urheberrecht dem Schöpfer die exklusiven Nutzungsrechte an seinem Werk. Der Schutz bleibt bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers bestehen. Karl Birkenstock – der Erfinder der Birkenstock-Sandale – lebt noch. Anders als beim Designrecht braucht es für einen Urheberrechtsschutz keinen formalen Eintrag in ein Register. Das war der Clou, auf den sich das Unternehmen vor den Gerichten stützen wollte. Erfolglos, wie nun feststeht.
Nach Auffassung des Unternehmens hat Karl Birkenstock die Sandalen alleine geschaffen, einschließlich der seit dem Jahr 1981 verwendeten Knochenmustersohle. Unter Berufung auf mehrere historische, juristische und designbezogene Gutachten hat Birkenstock die Schuhmodelle als urheberrechtlich geschützte Werke angesehen. Bei der Gestaltung, insbesondere der Sohlenform, beim Sohlenschnitt und bei der Materialwahl bestünden zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten, die Karl Birkenstock individuell ausgefüllt habe, sodass daraus ein ikonisches, brutalistisches, typisches Design entstanden sei. Die Sandalen würden alle Anforderungen erfüllen, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 Urheberrechtsgesetz (UrhG) an ein Werk der angewandten Kunst zu stellen sind.
Mit dieser Begründung hatte Birkenstock die beklagten Unternehmen in allen Verfahren auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz sowie Rückruf und Vernichtung der von ihnen hergestellten Sandalen in Anspruch genommen.
Während das Landgericht (LG) Köln den Klagen jeweils stattgegeben hatte und der Argumentation Birkenstocks folgte, sah das Oberlandesgericht (LG) Köln dies anders. Es entschied auf die Berufung der beklagten Unternehmen hin, dass die Sandalen nicht die Anforderungen an ein künstlerisches Werk erfüllten. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG gehören Werke der bildenden Kunst einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke zu den urheberrechtlich geschützten Werken, sofern sie nach § 2 Abs. 2 UrhG persönliche geistige Schöpfungen sind.
Im Falle der Birkenstock-Sandalen konnte das OLG aber nicht feststellen, dass es sich bei den Birkenstock-Sandalen um Originale im Sinne einer eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers handelt. Eine künstlerische Leistung war laut OLG nicht feststellbar. Karl Birkenstock habe sich bei der Umsetzung der Aufgabe, eine aus Sohle und Schaft bestehende Sandale zu entwerfen, an das bereits Vorbekannte gehalten. Er sei mit seinen Sandalen letztlich im Bereich des handwerklichen Könnens geblieben, das er als Orthopädie-Schumacher gelernt habe. Die Sandalen seien deshalb nicht in den Bereich der Kunst, sondern in den Bereich reinen Designs einzuordnen.
Birkenstock legte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christian Rohnke, Revision ein.
BGH: Künstlerischer Gestaltungsspielraum nicht ausgeschöpft
Genau wie das OLG ist nun aber auch der BGH der Ansicht, dass die Birkenstock-Sandalen keine nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützten Werke der angewandten Kunst sind. Das OLG sei zurecht davon ausgegangen, dass der Urheberschutz voraussetzt, dass ein gestalterischer Freiraum besteht und in künstlerischer Weise genutzt worden sein muss. Ein freies und kreatives Schaffen sei ausgeschlossen, soweit technische Erfordernisse, Regeln oder andere Zwänge die Gestaltung bestimmen.
Für den urheberrechtlichen Schutz eines Werks der angewandten Kunst sei – wie für alle anderen Werkarten auch – eine "nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern". Das rein handwerkliche Schaffen reiche nicht für einen Urheberrechtsschutz. Für den Urheberrechtsschutz muss vielmehr ein Grad an Gestaltungshöhe erreicht werden, der Individualität erkennen lässt. Hierfür trage Birkenstock die Darlegungslast, der das Unternehmen letztendlich nicht gerecht geworden sei.
Rechtsfehler seien im Urteil des Berufungsgerichts auch nicht zu erkennen. Das OLG habe sich mit sämtlichen Merkmalen auseinandergesetzt, die laut Birkenstock einen Urheberrechtsschutz ihrer Sandalen begründeten, so der BGH. Dabei sei das OLG rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Urheberrechtsschutz nicht festgestellt werden könne. Der künstlerische Gestaltungsspielraum sei durch Birkenstock nicht in einem solchen Maße ausgeschöpft worden, dass die Sandalen als Kunstwerk Schutz genössen.
Birkenstock will weiter gegen Nachahmer vorgehen
Laut Lisa-Marie Schuchardt, Rechtsanwältin bei Neon, bleibt der BGH mit diesem Urteil seiner bisherigen Rechtsprechung treu: "Zwar besteht für urheberrechtlichen Schutz eine geringe Gestaltungshöhe, dennoch ist der Ausdruck einer kreativen, individuellen geistigen Schöpfung des Urhebers erforderlich, um Gebrauchsgegenstände von Werken der angewandten Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 Urheberrechtsgesetz abzugrenzen. Trotz verschiedener angebotener Farben oder Modelle der Birkenstock-Sandalen reichte dem BGH dies nicht aus, um über den grundlegenden Unterschied zwischen den technisch-funktionalen Notwendigkeiten einer orthopädischen Sandale und einem Kunstwerk hinwegzuhelfen", kommentiert die Urheberrechtlerin die aktuelle Entscheidung. Birkenstock-Sandalen seien wegen ihres Designs zwar bequem und zweckdienlich, aber eben keine Kunst.
Birkenstock hat unterdessen angekündigt, den Kampf gegen Nachahmer auch in Zukunft unter Ausschöpfung aller rechtlichen Mittel fortzusetzen. Neben dem Urheberrecht werde sich Birkenstock dabei unter anderem auch auf Ansprüche nach dem Marken-, Design- und Wettbewerbsrecht stützen. Solche Ansprüche werden nach Ansicht von Birkenstock durch die BGH-Entscheidungen nicht berührt. Laut einem Sprecher nehme man die Entscheidung sportlich. Das Unternehmen habe bei dem Verfahren nur gewinnen, aber nichts verlieren können. Wirtschaftlich erwarte es keine negativen Auswirkungen durch die Entscheidungen des BGH.
eh/LTO-Redaktion
mit Material der dpa
Zitiervorschlag
BGH sieht in Birkenstock-Sandalen keine Kunst: . In: Legal Tribune Online, 20.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56641 (abgerufen am: 20.02.2025 )
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