Kommunikation des Kanzlers: Scholz verwirrt, statt Antworten zu geben

Kommentar
Stand: 20.04.2022 16:25 Uhr
Statt sich klar zu äußern, reiht Kanzler Scholz in der Debatte um Waffenlieferungen an die Ukraine beharrlich Nebensätze aneinander und weicht Antworten konsequent aus. Das hat Methode.
Ein Kommentar von Kai Clement, ARD-Hauptstadtstudio
Beim Zuhören stellt sich erst Verzweiflung ein. Dann Ermattung. Die zahlreichen Nebensätze des Kanzlers wirken wie Nebelsätze. Nach einer knappen Viertelstunde Vortrag fragt eine Journalistin nach: Liefert Deutschland nun schwere Waffen oder nicht? Es ist Krieg - und der Kanzler ist schwer zu verstehen. Olaf Scholz muss besser kommunizieren. Gerade jetzt.

Eine Pandemie und zugleich ein Krieg in Europa: Selten war eine Bundesregierung derart gefordert. Selten war der Wunsch nach Klarheit größer. Kann der Kanzler Klartext? Kann er "Starksprech"? Ja, er kann. Das weiß jeder, der ihn einmal auf Wahlkampfbühnen erlebt hat. Gestern aber konnte - oder wollte - er wieder einmal nicht. Trotz des Drucks, der wegen der Dauerdebatte um schwere Waffen für die Ukraine auf ihm lastet.
Auch Angela Merkel war keine begnadete Rednerin. Auch sie raschelte mit Sprechzetteln. Und doch ist die "Methode Scholz" eine andere.
Erstens: Nebensätze als Nebelsätze. Statt zu sagen: Ukrainische Soldaten können am besten mit osteuropäischem Kriegsmaterial umgehen, gibt es einen Satz mit sieben Nebensätzen. Wörtlich: "Deshalb ist es so, dass es kein Zufall ist, dass alle zu dem gleichen Schluss gekommen sind, dass es den meisten Sinn macht (...)" - und so weiter.
Grundsätzliche Ausführungen statt AntwortenZweitens: Antwortvermeidung. Wer den Kanzler nach konkreten Plänen für ein Öl- und Gasembargo fragt, wird grundsätzliche Ausführungen zur künftigen Energieunabhängigkeit Deutschlands bekommen, aber keine Antwort auf die Frage. Zitat: "Wie schnell wir damit fertig werden, sagen wir, wenn wir es geschafft haben."
Drittens: Seine Wortwahl täuscht Klarheit vor, wo dann doch keine ist. Formulierungen wie "alle wissen" oder "klar ist" suggerieren Eindeutigkeit, auf die inhaltlich mindestens Zweideutigkeit folgt. So ist auch seine Antwort auf die Frage nach schweren Waffen am Ende nebulös: Es gehe um Waffen mit "erheblicher Auswirkung" und - auch das wörtlich: "In diesem Rahmen sind wir bereit, Dinge möglich zu machen". Aha.
Scholz kann herablassend seinSchließlich: Scholz kommentiert Nachfragen auf irritierende Weise. Die sind dann "berechtigt" - oder eben auch nicht. Darin klingt Herablassung durch von jemandem, der es besser weiß. Gestern wiederum dankte er für eine Frage: Schon seit einiger Zeit warte er auf diese Gelegenheit für eine Erklärung. Braucht der Kanzler dafür wirklich einen Stichwortgeber?
Es gibt keine abschließende Gewissheit in Zeiten des Krieges. Antworten auf den russischen Überfall können und werden sich ändern. Die "Methode Scholz" aber hat etwas von Zuckerwatte: voluminös, aber wenig nahrhaft.
Kai Clement, ARD Berlin, 20.4.2022 · 16:02 Uhr
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