Watches and Wonders 2024: Rolex, Patek und Richemont führen die Messe an, Hayek passt

An der Watches and Wonders in Genf präsentieren Schweizer Uhrenhersteller diese Woche ihre Neuheiten. Das Führungsduo der Messe sagt, wo es mit der Veranstaltung hinwill. Und wer der grosse Abwesende ist.
Verkauft Träume: Der Rolex-Chef Jean-Frédéric Dufour präsidiert die Stiftung hinter der Genfer Uhrenmesse.
Erwartet 45 000 Besucher: Matthieu Humair stellt den Anlass mit einem Team von 30 Mitarbeitern auf die Beine.
Rolex, Patek Philippe, Cartier, TAG Heuer oder Vacheron Constantin sind dabei, die Marken der Swatch Group aber fehlen: Ab Dienstag findet in Genf während einer Woche der Uhrensalon Watches and Wonders statt. 54 Marken stellen ihre Neuheiten vor. Es ist der wichtigste Anlass für die Branche, auch weil sie gerade keine einfache Zeit durchmacht: Der starke Franken, der steigende Goldpreis und die anhaltende geopolitische Unsicherheit haben die Dynamik an den Märkten merklich abkühlen lassen, wie Jean-Frédéric Dufour, Präsident der Watches-and-Wonders-Stiftung und Rolex-Generaldirektor, erklärt.
Vor diesem Hintergrund ist die Idee hinter dem Stelldichein in Genf umso wichtiger: Nach dem Aus der traditionsreichen Basler Uhrenmesse haben sich bedeutende Hersteller in einem sehr schweizerischen Akt – nach Milizprinzip, in einer Stiftung und mit einem Schuss Finanzausgleich – zusammengetan, um ihre Branche einmal im Jahr strahlen zu lassen. In einem Exklusiv-Interview erklären der Rolex-Chef Dufour und Matthieu Humair, der operative Leiter der Stiftung, wo sie mit dem Genfer Uhrensalon hinwollen.
Am Dienstag beginnt hier in Genf die Uhrenmesse Watches and Wonders. Was erwarten Sie?
Dufour: Wir erwarten rund 45 000 Besucher aus der ganzen Welt: Leute, die im Uhrenbereich arbeiten, Journalisten, Sammler und Uhreninteressierte. Für Genf und generell für die Schweiz ist es ein wichtiger Anlass. Wir können der Welt unsere Spezialitäten zeigen und erklären, was die Schweiz ausmacht. Die Leute, die kommen, sind in der Uhrenwelt ihres Landes typischerweise gut vernetzt. Wenn sie von der Messe mit guten Erinnerungen zurückkehren, ist das gut für unser Land und die Uhrenindustrie.
Rolex, deren CEO Sie sind, hat sich zusammen mit Patek Philippe und Richemont dafür eingesetzt, dass es nach dem Untergang der Baselworld weiterhin eine grosse Uhrenmesse in der Schweiz gibt. Mit welchem Ziel?
Dufour: Unser Hauptziel ist es, mit einer Stimme zu sprechen. In der Schweiz mag die Uhrenindustrie wichtig sein. Jeder hier kennt jemanden, der in der Branche arbeitet. Aber im Rest der Welt sind Uhren bei den Leuten weniger präsent. Darum ist es wichtig, dass wir einmal im Jahr in einer Weise auftreten, die wahrgenommen wird – nicht als einzelne Marken, sondern als Uhrenindustrie als Ganzes. Unser Traum ist, dass Genf mit der Watches and Wonders für die Uhrenwelt das wird, was Mailand mit dem Salone del Mobile für die Möbelbranche ist – eine Veranstaltung, bei der die gesamte Region während einer Woche über Möbel spricht. Ohne eine solche Messe, die die Vielfalt und Kompetenz der Branche zeigt, hätten die Menschen vielleicht nur Ikea-Möbel zu Hause.
Herr Dufour, Sie sind schon seit dreissig Jahren in der Uhrenindustrie tätig. Wie geht es der Branche derzeit?
Dufour: 2024 wird eine Herausforderung sein. Eine Phase, in der es allen Herstellern gut gegangen ist, geht zu Ende. In guten Zeiten wird oft zu viel produziert. Wenn sich dann, wie jetzt, die Märkte abschwächen, geraten die Uhrenhändler unter Druck und reagieren mit Rabatten. Das ist äusserst problematisch, denn Rabatte schaden emotionalen Produkten wie unseren.
Trifft das alle Marken gleich?
Dufour: Es gibt Marken, die sehr bekannt und erfolgreich sind. Ihre Namen ragen aus der Masse heraus und sind immer im Bewusstsein der Konsumenten. Diesen Marken geht es immer noch gut. Das sieht man auch daran, dass der Wiederverkaufswert dieser Uhren nicht sinkt.
Was sind die Gründe für die durchzogenen Aussichten für 2024?
Dufour: Wir produzieren alles hier zu Schweizer Kosten. Der Franken ist also eine Herausforderung. Weiter sind die Rohmaterialkosten massiv gestiegen. Ein Kilo Gold kostet derzeit fast 66 000 Franken. Vor dreissig Jahren, als ich in der Uhrenindustrie angefangen habe, lag er noch bei 18 000 Franken. Natürlich verteuert das die Uhren. Weiter schlagen die gestiegenen Zinsen den Leuten auf die Konsumlaune, und die geopolitische Situation hilft auch nicht. Aber wissen Sie: In der Branche sind wir es gewohnt. Wir haben Schweizer Uhren ins Ausland verkauft, als ein Dollar noch vier Franken kostete.
Was Sie auch heute noch tun, wo der Dollar nur noch 90 Rappen kostet . . .
Dufour: Weil wir Träume verkaufen! Solange wir das tun, kann uns niemand vorschreiben, zu welchem Preis wir unser Produkt anbieten sollen. Für einen Schweizer Maschinenbauer ist die Situation auf dem Exportmarkt deutlich schwieriger.
Vor zwei, drei Jahren wurden Uhren eher als Anlage betrachtet denn als Traum. So haben beispielsweise Krypto-Millionäre einen Teil ihres Gelds in reale Werte umgewandelt.
Dufour: Ich mag es nicht, wenn die Leute Uhren mit Aktien vergleichen. Das sendet die falsche Botschaft und ist gefährlich. Wir stellen Produkte her, keine Wertanlagen.
Sie haben gesagt, dass einige Marken aus der Masse herausragen. Erwarten Sie, dass die anderen Uhrenmarken, die nicht zu dieser Spitze gehören, in nächster Zeit in Probleme geraten?
Dufour: Nein, ich würde nicht von Problemen sprechen. Das Pendel schwingt jetzt in die andere Richtung, und es schlägt bei den weniger etablierten Marken naturgemäss stärker aus. Während sie im Aufschwung möglicherweise einen Umsatzanstieg von zwanzig Prozent verzeichneten, erleben sie jetzt vielleicht einen Rückgang von fünfzehn Prozent. Bei den grossen Marken sind die Schwankungen geringer, im Bereich von plus/minus zwei bis drei Prozent. Grosse Marken erzielen nie ein Jahreswachstum von zwanzig Prozent.
Humair: Umso wichtiger ist es, dass wir in einem solchen Umfeld eine Messe wie die Watches and Wonders in Genf haben. Wir beweisen hier und jetzt als Branche, dass wir gemeinsam voranschreiten, auch in nicht mehr so rosigen Zeiten.
Kleine Uhrenmarken haben für 45 000 bis 80 000 Franken sieben Tage lang Zugang zu allen Händlern, Journalisten, Konsumenten; die Grossen zahlen dafür jedes Jahr Millionen: Matthieu Humair (rechts) spricht über die Quersubventionierung an der Watches and Wonders in Genf.
Muss der Event Ihrer Ansicht nach zwingend in der Schweiz stattfinden?
Dufour: Ja, denn es geht um «Swiss made»-Uhren und um die Schweizer Uhrenindustrie, die zur ganzen Welt spricht. Es wäre nicht dasselbe, wenn die Schweizer Marken irgendwo hingingen. Dann wären es einfach Uhrenmarken, die versuchten, Uhren zu verkaufen. Hier ist es mehr als das.
Klaus Schwab vom WEF bekommt täglich Anrufe von Orten wie Singapur, New York oder Dubai, die wollen, dass das WEF statt in Davos bei ihnen stattfindet. Passiert das bei Ihnen ebenfalls?
Dufour: Klar, und manche Orte eignen sich beispielsweise von der Logistik her gesehen besser. Aber dann ist es nicht mehr die Schweiz.
Die Messe findet nun das zweite Mal unter der Führung der neuen Stiftung statt. Was ist neu gegenüber dem Vorjahr?
Humair: Wir haben die Zahl der Publikumstage erhöht. Von sieben Tagen sind nun drei (Samstag, Sonntag und Montag) offen für die Allgemeinheit. Zudem haben wir das Angebot an diesen Tagen stark ausgebaut: Sie können vor Ort Führungen buchen, einige Marken bieten sogenannte «touch-and-feels» an, bei denen Sie die neuen Produkte in die Hand nehmen können, und es gibt ein völlig neues Programm mit Referenten und Konferenzen. Neben der Messe in den Palexpo-Hallen haben wir auch unsere Präsenz in der Stadt verstärkt: mit Führungen, Uhrmacher-Workshops, Veranstaltungen in Uhrenboutiquen und Konzerten.
Dufour: Am liebsten würde ich die Messe sieben Tage fürs Publikum öffnen. Aber hier läuft es auf die Schweizer Art: Wir arbeiten mit Kompromissen. Vielleicht ist es für den Moment sogar besser, dass wir uns auf drei Publikumstage beschränken. Denn am Anfang der Messe ist jeweils sehr viel los. Da ist es nicht schlecht, wenn wir unter uns sind: Hersteller, Händler und Journalisten. Ich hätte auch gerne verkündet, dass die Swatch Group dabei ist. Aber leider kommt sie nicht; jedenfalls dieses Jahr nicht.
Was hält die Swatch Group davon ab, teilzunehmen?
Dufour: Keine Ahnung, ich sehe nicht in den Kopf von Herrn Hayek. Ich habe ihn und seine Familie besucht und sie eingeladen. Aber Nick Hayek hat seine eigenen Vorstellungen. Er sagt, die Swatch Group sei sehr industriell ausgerichtet und wolle keine Zeit verschwenden mit Ausstellungen. Für uns ist es jedoch keine Zeitverschwendung. Wir verkaufen Emotionen und Träume. Um diese am Leben zu halten, muss man Geschichten erzählen, man muss aktiv sein, man kann nicht nur Produkte verkaufen. Es ist schade, doch es ist nicht an mir, über diese Strategie zu urteilen.
Eine grosse Watch-Week im Stil des Möbelsalons: Hat Genf dafür überhaupt die Kapazität?
Humair: In Genf gibt es – über alle Kategorien verteilt – ungefähr 15 000 Hotelzimmer. Wir nutzen derzeit 6500, also weniger als die Hälfte.
Der Untergang der Uhrenmesse Baselworld ist noch nicht lange her. Was macht ihr besser?
Humair: Genf ist dank dem Flughafen deutlich besser erreichbar als Basel. Zudem haben wir die Preise im Griff, denn wir haben direkte Vereinbarungen mit den Hotels, was in Basel nicht der Fall war. Die Hoteliers sind zufrieden, aber sie wissen auch, dass wir ein Problem haben, wenn sie übertreiben. Insgesamt sind wir dieses Jahr für 40 000 Übernachtungen zuständig, letztes Jahr waren es 35 000. Wir bringen den Hotels 15 Millionen Franken Umsatz.
Dufour: Der grosse Unterschied ist die Organisation: In Basel wurde die Uhrenmesse von einem Unternehmen betrieben, das seine Messehallen füllen und möglichst viele Quadratmeter verkaufen wollte. Hier ist es eine Non-Profit-Organisation, die den Salon im Namen der Marken organisiert, mit dem Ziel, die Uhrmacherei auf globaler Ebene bekannter zu machen und zu fördern. Das bedeutet auch, dass wir nicht einfach unsere Messe durchführen und hoffen, dass die Leute kommen. Wir versuchen aktiv, eine grosse Resonanz zu erzielen, indem wir Journalisten aus der ganzen Welt einladen.
Ist es in Genf für die Aussteller weniger teuer, als es in Basel war?
Dufour: Wir haben die Preise so stark wie möglich reduziert. Unser System ist zudem sehr schweizerisch: Die Hälfte der Marken zahlt für die andere Hälfte. Ähnlich wie beim Finanzausgleich der Kantone.
Humair: Unabhängige Uhrenhersteller bezahlen an der Messe einen Quadratmeterpreis von 1800 Franken. Als kleine Uhrenmarke haben Sie für 45 000 bis 80 000 Franken sieben Tage lang Zugang zu allen Händlern, Journalisten, Konsumenten.
Dufour: Das ist nicht wenig Geld, aber eine doppelseitige Anzeige in der Lifestyle-Beilage der «Financial Times» ist auch nicht viel günstiger.
Werden Sie überrannt von Herstellern, die ebenfalls ausstellen wollen?
Dufour: Ja, wir mussten dieses Jahr eine Auswahl treffen. Die Qualität muss stimmen, die Menschen hinter den Uhren müssen es auch ernst meinen mit ihrem Engagement. Wir wollen keine Opportunisten in Genf.
Müssen sich Aussteller für mehrere Jahre verpflichten?
Humair: Die Grossen für zwei Jahre, die unabhängigen nur für ein Jahr. Wobei man sich vor Augen halten muss, dass die Grossen jedes Jahr Millionen in die Messe investieren.
«Die Uhr ist das letzte rein mechanische Produkt»: Darum setzt sich der Rolex-Chef Jean-Frédéric Dufour (links) für die gesamte Branche ein.
Wer entscheidet, welche Marken kommen dürfen?
Dufour: Das entscheidet der Stiftungsrat, der aus vier Mitgliedern besteht: Cartier, Patek Philippe, Richemont und Rolex. Lustigerweise haben ausgerechnet Cartier, die zur Richemont-Gruppe gehört, und die Muttergesellschaft nicht immer die gleiche Meinung. Wir versuchen allerdings in der Regel, einstimmig zu entscheiden.
Vier Mitglieder – das ist ein sehr kleines Gremium.
Dufour: In der Tat, aber ich hoffe, dass wir nicht nur bei den teilnehmenden Marken, sondern auch im Stiftungsrat bald Neuzugänge kommunizieren können.
Im Vergleich mit dem letzten Jahr sind zwar acht neue Marken dazugekommen, aber es fehlen auch zwei Firmen, die im vergangenen Jahr dabei waren. Wurden sie «ausgeladen»?
Dufour: Nein, das war deren Entscheid. Rebellion Timepieces hat mit der Uhrenproduktion aufgehört, und bei Charles Zuber gab es interne Gründe.
Einige Uhrenhersteller nutzen die Watches and Wonders, um neben der Messe inoffiziell aufzutreten. Ist Ihnen das ein Dorn im Auge?
Dufour: Wir nennen sie Piraten. Aber das geht in Ordnung . . .
Humair: . . . solange es ebenfalls dazu beiträgt, Aufmerksamkeit für die Uhrmacherei in Genf zu generieren.
Wie viele Uhrenhersteller aus dem Ausland treten in Genf auf?
Humair: Grand Seiko, Lange & Söhne, Ressence und neu Nomos und Bremont – es hat schon einige.
Dufour: Die Hersteller können sich bewerben. Aber es fallen einem nicht so viele Namen ein.
Ist es das Ziel, die Schweizer Uhrenlandschaft möglichst komplett abzubilden?
Dufour: Es wäre phantastisch, wenn sich die Swatch Group uns anschliessen würde. Aber das können wir nicht für sie entscheiden. Und wie gesagt: Unser Hauptziel ist, dass wir einmal im Jahr die Leistungen der Schweizer Uhrenindustrie ins Schaufenster stellen. Es geht nicht nur um Marken. Es geht um Handwerk, um eine reiche Geschichte, um ein langlebiges Produkt. Ein Produkt notabene, das dereinst auch verschwinden könnte.
Warum?
Dufour: Es gab immer wieder Wendepunkte in der Uhrengeschichte, an dem sie anders hätte verlaufen können. Die Armbanduhr etwa ist eine relativ junge Erfindung. Noch zwischen den Weltkriegen wurden hauptsächlich Taschenuhren produziert. Dass die Branche diesen Wechsel erfolgreich gemeistert hat, ist nicht selbstverständlich. Wir müssen sicherstellen, dass die Leute auch künftig Armbanduhren tragen, sei es aus sozialen Gründen oder aus anderen Motiven. Die Konkurrenz um das Handgelenk ist gross. Fitness-Tracker, Smartwatch, Armreif. Es überrascht mich jedes Mal, wenn Kollegen von mir sagen: «Die Leute werden immer Uhren tragen.» Das ist nicht gottgegeben, es ist eine fragile Branche, der wir Sorge tragen müssen.
Was macht die Uhrmacherei denn so speziell?
Schauen Sie nur, womit wir heute fahren oder fotografieren. Die Uhr ist das letzte rein mechanische Produkt.
Watches and Wonders – Schaufenster der Uhrenbranche
Die jeweils im Frühling in Genf stattfindende Watches and Wonders ist die weltgrösste Uhrenmesse. Entstanden ist sie in dieser Form nach dem Zusammenbruch der Basler Uhrenmesse Baselworld während der Corona-Pandemie. Damals klopften die wichtigsten Baselworld-Aussteller – darunter Rolex und Patek Philippe – bei dem von Richemont organisierten Genfer Uhrensalon an. Die Idee: gemeinsam in Genf wieder eine grosse Uhrenmesse auf die Beine zu stellen, allerdings nicht in der Breite von Basel, sondern fokussiert auf Qualitätsuhrmacherei. Man fand sich, und im September 2022 gründeten Patek Philippe, Richemont und Rolex zusammen die gemeinnützige Stiftung Watches and Wonders Geneva Foundation (WWGF), die seither für die Organisation der Messe verantwortlich ist. An den drei letzten Tagen (13. bis 15. April) ist die Watches and Wonders für das Publikum geöffnet. Im vergangenen Jahr waren die 12 000 Tickets ausverkauft, dieses Jahr wurde die Zahl der Eintritte erhöht.
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